Der letzte Schuster
In diesem Gebäude befand sich im 19. Jh. zeitweise die Gaststätte „Zum Pflug“. Diese wurde vom Pflugwirt Carl Marquardt (1853-1934) in den Jahren 1878-1884 betrieben. Aus dieser Zeit stammt wohl auch die Bierwerbung über dem rechten Fenster.
Anschließend hat Carl Marquardt nur noch die Metzgerei im Haus weitergeführt.
Danach ging die Metzgerei an Karl Olpp über.
Als dieser sein Geschäft in die Hochdorfer Straße verlegte, übernahm der Schuster Oskar Bosch das Gebäude und richtete dort eine Schusterwerkstatt ein.
1928 baute Oskar Bosch in der Seestraße 3 (heute Seestr.3a) und betrieb dort seine Schusterwerkstatt.
Die Geschichte von Oskar Bosch jun.
Der Sohn des "letzten Schusters", der ebenfalls den Namen Oskar trug, wurde als 17-Jähriger am 27. April 1945, knapp zwei Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, auf dem Hof Ölbrechts 15 (heute ein Teil von Ottobeuren) von vorrückenden Amerikanern erschossen.
Die Amerikaner nahmen dem Toten seine Erkennungsmarke ab, meldeten aber niemandem den Namen des Toten. Nur weil Oskar Bosch ein kleines Gebetbuch mit seinem Namen und Herkunftsort bei sich trug, konnten die Bartenschlagers – die zu der Zeit auf dem Hof lebten – ihn zuordnen. Zunächst war ein Paket nach Heimertingen (Unterallgäu; damals Kreis Memmingen) geschickt worden, es kam aber als unzustellbar zurück. Erst später war das verwaschene Wort als „Hemmingen“ erkannt worden. Über Frischknechts aus der Bergstraße, die Käse nach Hemmingen lieferten, wurde ein Kontakt hergestellt.
Schuhmacher Oskar Bosch sen. (08.02.1900 - 28.09.1988), der Vater des Toten, kam im Herbst 45 nach Ölbrechts und erkannte die Stiefel wieder, die Bartenschlagers dem Toten vor dem Eingraben abgenommen hatten, als die seines Sohnes. Man grub die Leiche wieder aus und überführte sie mit einem Privatauto mit Anhänger – darauf ein Blechsarg – nach Hemmingen, wo der Jugendliche beerdigt wurde. Noch viele Jahre schickten die Boschs als Zeichen der Verbundenheit zu Weihnachten ein Paket, mal mit Socken, mal mit Hausschuhen. 1969 heiratete Frau Bartenschlager den aus Ungerhausen stammenden Josef Weinhardt; die Hochzeitreise führte u.a. nach Hemmingen. Das Zimmer von Oskar – er baute als Hobby Modelle – befand sich auch 1969 noch in genau dem Zustand, in dem er es im Krieg verlassen hatte.
Die Boschs haben den Kontakt nach Ölbrechts lange gehalten: Die Eltern (Okar sein. und Elise Boch) besuchten Ölbrechts mit ihrem Sohn Rainer 1976; zuletzt kam Frank Bosch (aus der Enkelgeneration) ca. 2014 mit dem Motorrad vorbei. Oskar hatte zwei Brüder: Waldemar und Roland. Letzterer trat in die Fußstapfen des Vaters, wurde in einer Schuhfabrik Schuhmodelleur und übernahm die Werkstatt in der Seestraße 3 als Schuhmacher. Im Grab in Hemmingen liegt Oskar jun. mit seinen beiden Eltern. (Mutter: Elise Bosch, geb. Sippel, 30.05.1900 - 27.09.1980). Auf dem Grabstein in Hemmingen stehen auch die Lebensdaten von Oskar Bosch jun.: geb. 11.12.1927, gefl. [gefallen] 27.4.1945 auf Hof Ölbrechts bei Ottobeuren.
Erst ein, zwei Wochen vor seinem Tod war er noch einmal in Hemmingen, begab sich aber aus Angst als fahnenflüchtig zu gelten wieder ins Feld.
Bei einem Besuch mit Rainer Bosch in Hemmingen am 20.06.2017 stellte dieser das Soldatenbild zur Verfügung, das ihm sein Cousin Frank (Sohn des Roland) vorbeigebracht hatte. Die Bildbeschriftung auf der Rückeite lautet schlicht: „Oskar Bosch, Kreis Leonberg, Seestr. 3“ [seit 1973 Lkr. Ludwigsburg]. Oskar ist auch im Kriegerdenkmal von Hemmingen verewigt. Die Schuhmacherwerktatt in der Seestraße wurde mit dem Tod von Oskar Bosch sen. 1988 von Frank Bosch aufgelöst, das Haus umgebaut.
Mehr Hintergründe zur Geschichte von Oskar Bosch jun. finden Sie hier:
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