Gasthaus Zum Hirsch (abgebrochen)
Das Gebäude in der Hirschstraße 3 wurde 1874 von Friedrich Mannal gebaut. Bald nach dem Bau des Hauses scheint Mannal das Wirtshaus eröffnet zu haben. Denn 1877 wird er in Akten, die im Gemeindearchiv lagern, bereits als Hirschwirt bezeichnet. Friedrich Mannal starb im Dezember 1899. Im Dezember 1904 kauften Marie und Hermann Schmid, Oberkellner und Hirschwirt, das Anwesen. Es bestand aus Wohnhaus, Hofraum, Scheuer mit Schlachteinrichtungen, Schweinestall, Abtritt, Küche und Schuppen. Doch das Ehepaar Schmid bewirtschaftete den „Hirsch“ nur ein Jahr lang. Bereits ein Jahr später, im September 1905, erwarben der Bäcker Emil Rapp und seine Frau Emma das Wirtshaus.
Im Jahr 1919 beginnt im „Hirsch“ die Zeit der Familie Kurz: Im März kaufte Eugen Kurz das Anwesen. Am 12. Juni desselben Jahres erhielt er die Genehmigung zur Ausübung des Gastwirtschaftsrechts in zwei Wirtschafts- und zwei Fremdenzimmern sowie im Wirtschaftsgarten nebst Kegelbahn.
Das meiste ist über die Zeit bekannt, in der die Familie Kurz das Gebäude Hirschstraße 3 bewohnte – insgesamt 78 Jahre lang - und die Wirtschaft führte. Die Hemmingerinnen und Hemminger kannten die Familie und können sich an sie erinnern. Eugen Kurz kam aus einer Hochdorfer Schäferfamilie und war zunächst selbst Schafhalter. Seine Frau Christiane stammte aus Hemmingen. 1919, also in dem Jahr, in dem Kurz den „Hirsch“ erwarb, wurde Tochter Sofie geboren. Von der Gastwirtschaft alleine konnte die Familie nicht leben. Weitere Erwerbsquellen waren die Landwirtschaft - Getreideanbau, Schweine, Rindvieh, und einige Schafe – und die Mosterei.
Kurz besaß eine handbetriebene Obstmühle und eine Presse, die vor der Scheune im Freien unter einem Dach standen. Hier wurde der Most für die Wirtschaft hergestellt. Aber auch Kunden konnten im Herbst zum Selbstmosten kommen. Eugen Kurz stellte lediglich die Anlage, mosten mussten die Kunden selbst. Der Hirschgarten stand dann voller Zuber, erinnert sich ein Hemminger. Die Äpfel wurden gewaschen und gemahlen und kamen in große Bottiche. Mit Wasser übergossen blieben sie drei Tage stehen. Dann wurde der Spund aus dem Zuber herausgeschlagen. Der Trester schwamm nun oben. Der sogenannte Vorlass, ein guter Most, kam ins Fass. Die gleiche Prozedur wurde noch einmal mit dem Trester gemacht. Schließlich wurde der feuchte Trester auch noch gepresst. Manchmal kam noch Zucker dazu. Alles zusammen wurde in ein Fass geschüttet und gärte darin etwa 14 Tage lang. Am Fassboden setzten sich Fruchtrückstände ab. Oben war der klare Most, der mit einem Hahn abgezapft werden konnte.
In Hemmingen gab es noch Mostereien in der Gutsverwaltung, in der Adlergasse und später die Mosterei Guggenberger in der Blohnstraße 1.
Das Wirtshaus „Zum Hirsch“ war am Wochenende geöffnet. Meistens kamen die Männer Sonntagsnachmittags zum „Geigeln“ (Kartenspiel). Im Hirschgarten war eine Kegelbahn angebaut. Sie wurde vor allem von Leuten des Sportvereins genutzt. Die Vereinsversammlungen des 1908 in Hemmingen gegründeten Turnvereins (ab 1920 Sportverein) fanden hier bis zum ersten Weltkrieg statt. Im Garten dieser Lokalität führte der Turnverein etliche Turnfeste durch.
Die Jungen aus der Umgebung des „Hirschs“ machten die Kegelbuben und bekamen dafür etwas zu trinken oder ein paar Pfennige. Einige Kegelkugeln können heute noch im Etterhof ausprobiert werden.
Der „Hirsch“ war vor allem eine Schankwirtschaft. Es gab Vesper, aber in der Regel keine warmen Speisen. Nur einmal jährlich, an der Kirbe (und auf Bestellung) gab es eine Spezialität: Hammelbraten. Es war Tradition, dass an der Kirbe im „Hirsch“ dieses Gericht serviert wurde. Die Hirschwirtin konnte den Hammelbraten sehr gut zubereiten und er kam richtig heiß mit Soße und Wasserlaible (Weißbrot) auf den Tisch. Die Kirbe fand am zweiten Sonntag im November statt und war ein besonderes Fest. Aus diesem Anlass wurde der „Hirsch“ auf Hochglanz poliert, die Fensterläden wurden ausgehängt, geputzt und geölt. Frauen wurden engagiert, die in der Küche halfen. Die Hirschwirtin und ihre Tochter bedienten selbst. Wer es sich leisten konnte, ging an der Kirbe in den „Hirsch“ zum Hammelbratenessen.
Der Hirsch wurde bevorzugt von den Bauern aus den umliegenden Straßen besucht, schildert ein Hemminger.
Nach dem Tod ihrer Eltern fühte die Tochter Sofie Kurz die Gastwirtschaft noch eine Zeitlang bis in die 1970er Jahre weiter. Sofie Kurz starb 1997. Ein Jahr später wurde das Gebäude abgerissen. Das Grundstück wurde mit Reihenhäusern neu bebaut.
Auszug aus dem Text: März 1999/Bönisch, Gemeindearchiv
Der „Hirsch“ verfügte über einen Brunnen oder über eine gefasste Quelle, welche beim Neubau der Reihenhäuser abgebrochen und überbaut wurde. Eine von hier aus entlang der Blohnstraße geführte Leitung führt heute noch Wasser und ist im Keller des Hauses Hauptstraße 21 noch sichtbar.
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